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Literaturhinweise zu Kritik und Alternativen
- Medizin - Kranheitsbegriff - Statistik - Schwangerschaft -
Adams, Vicanne (home - http://dahsm.medschool.ucsf.edu/faculty/bios/adams_vincanne.aspx -) - Randomized Cotrolled Crime: Postcolonial Sciences in Alternative Medicine Research - in: Social Studies of Science - Vol. 32 Nos 5-6 - London 2002
Die tibetanische Medizin wird durch die unterschiedlichsten Kontexte beeinflusst;
- durch die Ausgrenzung als Nicht-Medizin und ihre Kritik nach westlich medizinischen Maßstäben,
- durch die Ausbeutung des medizinischen Wissens durch Pharmakonzerne,
- durch das Interesse tibetanischer Mediziner(Innen?) sich auf dem internationalem Markt zu etablieren,
- ..
AGGPG - Hg. - Hermaphroditen im 20. Jahrhundert - Bremen 1997 -
In Deutschland werden Kinder genitalverstümmelt, falls sie nicht in das eindeutige binäre Geschlechtsraster passen, sondern als Intersexuelle geboren werden. Die AGGPG arbeitet seit Jahren gegen diese Praxen. Der Reader gibt einen guten Überblick über das Thema. Aktuelle Infos zum Thema findet Ihr z.B. über die Links auf der Seite - http://blog.zwischengeschlecht.info/ - bzw. über - http://www.das-verordnete-geschlecht.de -.
Barnes, Djuna (Info - http://de.wikipedia.org/wiki/Djuna_Barnes -) - Kennen Sie Zwangsernährung? - in: Barnes, Djuna - New York - Reinbek, 2002 - (Text - http://www.ak-anna.org/der_neue_mensch/medizin_kritik_norm/zwangsernaehrung_sufragetten.htm -)
Eine Reportage der Schriftstellerin Djuna Barnes von 1914, ein kurzer Text zur Gewaltausübung/Folter durch Zwangsernährung gegen Hungerstreikende. Djuna Barnes hat sich zu Beginn des 20ten Jahrhunderts für diese Reportage dieser Prozedur selbst freiwillig ausgesetzt um als Journalistin über diese Form der medizinischen Gewalt, die gegen die Suffragetten in Großbritannien ausgeübt wurde und nicht selten langfristig zum Tod führte, berichten zu können.
Corea, Gena (home - http://www.geryunant.com/Gena.htm -) - MutterMaschine - Hamburg 1986
Ein Buch zur Kritik der Reproduktionstechnologien aus feministischer Sicht. Aufgrund seiner Umfassendheit und klaren Stellungnahme in den 80er Jahren ein Standartwerk der feministischen Diskussion.
Djuren, Jörg - Nur das Zählbare zählt. Naturwissenschaftlich statistische Wirklichkeits-Produktion - Erstveröffentlichung: graswurzelrevolution - Oldenburg, 2002 - (Text, 2004 überarbeitete Fassung - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/statistik_medizin.htm -)
Ein Text zur Kritik der interessengeleiteten Wahrheitsproduktion durch die statistische Naturwissenschaft, insbesondere in der Medizin und Epidemiologie.
Duden, Barbara (home - http://barbara.duden.phil.uni-hannover.de/ -) - Sammlung I, Ausgewählte Schriften und Vorträge 1991-1998 (Der fließende und der verstockte Körper / Schwangerschaft: Die gute Hoffnung und die Diagnose / Die bio-optimale Frau) - Internetpublikation - (Text - http://www.pudel.uni-bremen.de/pdf/duden_ammlung.pdf -) - (Die Texte behandeln Themen, die Barbara Duden zeitgleich in drei Büchern diskutiert hat; Geschichte unter der Haut. Ein Eisenacher Arzt und seine Patientinnen - Stuttgart 1987 / Anatomie der Guten Hoffnung. Zur Bildgeschichte des Ungeborenen - Frankfurt/Main 2003 / Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Mißbrauch des Begriffs Leben - Hamburg 1991)
Barbara Duden beschreibt die historischen Veränderungen bzgl. Körper., Leib, Gesundheit und verdeutlicht so die Funktionen moderner Begrifflichkeiten der Medizin/Biologie/Genetik bei der (Selbst)Enteignung des Frauenleibes. Barbara Duden ist eine sehr detailreich, genau und überzeugend argumentierende Wissenschaftlerin (Historikerin/Soziologin), die ihr Begreifen der heutigen Alltagspraxis, von Schwangerschaft, Pränataldiagnostik, Ultraschall, u.a. durch die Verfremdung aus der Übernahme einer Position des historisch früher Anderen gewinnt. Ihre Analysen sind in vielen Punkten, was heutige Wissenschaft und ihre Wirkung im Alltag angeht, sehr aufhellend.
Bzgl. der Vergangenheit neigt sie aber zu einem zu positiven Blick, der die damaligen Machtdiskurse und ihre Wirkungen auf den Leib u.a. ausblendet. Dies führt teils zu essentialistischen Positionen eines von ihr imaginierten früheren direkten Zugangs zu Weiblichkeit und Leib. Da Barbara Duden lange Jahre mit Ivan Illich zusammengearbeitet hat, liegt nahe, dass sie die strukturell 'katholische' Sicht auf die Dinge, die bei Illich durchscheint, hier übernimmt. Denn vieles liest sich wie die Vertreibung aus dem Paradies nach dem Sündenfall des Essens vom Baum der Erkenntnis. Das historisch Frühere wird mit Unschuld und originärer Leiberfahrung verknüpft, eine Sichtweise die den Blick auf die Kontinuitäten und Umwandlungen älterer Machtdiskurse in neue verstellt, und damit auch das Begreifen dieser modernen Machtstrukturen nur bedingt leisten kann. Dies verknüpft sich zum Teil noch mit einer besonderen Schuld der Frau (an sich selbst) weil sie sich auf diese modernen Körperdiskurse einläßt, und weist damit in die höchstproblematische Richtung einer Sonderverantwortung der Frauen für das Leben. Sicher nicht im Sinne Dudens, aber trotzdem in ihren Texten angelegt, lassen sich diese Texte so auch reaktionär interpretieren, dass Frau nun an der Gewalt, der sie in der Medizin ausgesetzt ist, selbst Schuld hat und dies als Ausgleich für ihre Sünde des Paktierens mit der Moderne (also dem Teufel) auch verdient hat. Sie übersieht, dass die kapitalistischen Modernisierungsprozesse mit ihrer Zerstörung hergebrachter Strukturen auch immer eine Entbindung und Befreiung aus überkommenen Gewaltverhältnissen beinhalten, nur das diese Machtverhältnisse gleichzeitig in neue Machtstrukturen überführt werden.
Bzgl. der Moderne liefert Barbara Duden aber Detaileinsichten in die Funktionsweisen von medizinischen Disziplinartechniken, wie sie sonst kaum zu finden sind. Weitere Texte von Barbara Duden sind zu finden unter: - http://www.pudel.uni-bremen.de/432dt_barbara_duden.html#Bibliographie -.
Duden, Barbara (home - http://barbara.duden.phil.uni-hannover.de/ -) - Die Verkrebsung - Internetpublikation - (Text - http://www.pudel.uni-bremen.de/pdf/VERKREBS.pdf -) -
Die Autorin kritisiert differenziert die Bedeutung von Risikodiskursen und Produktion von Risikobewußtsein für die Konstitution eines neuen medizinalisierungsadäquaten Subjektes. Krebs ist in der Form wie heute Ängste um Tod und Verfall hier gebündelt werden ein Phänomen der Moderne, und Krebs ist auch ein Phänomen, dass etwas aussagt über unsere moderne Methodik Ängste durch Disziplinartechnik ruhig zu stellen und an Experten zu delegieren.
Für die Kritik an diesem Text gilt gleiches, wie oben.
Weitere Texte von Barbara Duden sind zu finden unter: - http://www.pudel.uni-bremen.de/432dt_barbara_duden.html#Bibliographie -.
Duden, Barbara (home - http://barbara.duden.phil.uni-hannover.de/ -) - Die Ungeborenen. Vom Untergang der Geburt im Laufe der Nachkriegszeit. - Seite 148 bis 168 - in: Schlumbohm, Jürgen [Hg.] - Rituale der Geburt: Eine Kulturgeschichte - München 1988 -
Die Autorin stellt dar welche Bedeutung der Medizinalisierung der geburt und ihrer Verlagerung in die Klinik beikommt. Und das es hierbei nicht um die Verringerung der Kindersterblichkeit ging. Im Gegensatz zur Autorin würde ich darauf Wert legen auch die Geburtspraxen früherer Zeiten als gesellschaftlich kulturell vermittelte Praxen zu begreifen in die die jeweiligen Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingeschrieben waren. Für die Kritik an diesem Text gilt insofern gleiches, wie oben.
Weitere Texte von Barbara Duden sind zu finden unter: - http://www.pudel.uni-bremen.de/432dt_barbara_duden.html#Bibliographie -.
Duesberg, Peter (home - http://www.duesberg.com/ -) / Koehnlein, Claus / Rasnick, David (home - http://www.davidrasnick.com/David_Rasnick/Home.html -) - The chemical bases of the various AIDS epidemics: recreational drugs, anti-viral chemotherapy and malnutrition - in: Journal of Bioscience Vol. 28 No. 4 - Bangalore 2003 - (Text - http://www.virusmyth.com/aids/hiv/pddrchemical.pdf -)
Ein medizinischer Fachtext der mit medizinisch wissenschaftsimmanenten Argumenten die gängige Theorie bzgl. AIDS und die Behandlung mit AZT kritisiert. Die Texte zur Infragestellung der Virushypothese und der Wirksamkeit von AZT von Peter Duesberg sind eben so wie die von Kary Mullis von homophoben Grundannahmen durchzogen. Sie sind außerdem keine wissenschaftskritischen Positionen, sondern die Texte wissenschaftsimmanenter Außenseiter. In den Texten geht es nicht um eine grundsätzliche kritische politische und gesellschaftliche Kontextualisierung medizinischer Wissenschaft sondern um die medizinimmanente Durchsetzung einer alternativen Sichtweise. Kritische Naturwissenschaft ist eine Praxis die ihre eigen Methoden und Begriffe z.B. bzgl. ihrer gesellschaftlichen Wirkung mit reflektiert und auch reflektiert, welche Vorurteile in ihre naturwissenschaftlichen Annahmen eingehen. Dies findet in diesen Texten nicht statt. Obwohl eine Infragestellung der Virushypothese als alleiniger Ursache für AIDS aus wissenschaftskritischer Sicht sinnvoll erscheint, sind die Texte von Kary Mullis und Peter Duesberg in diesem Kontext auf Grund dieser Struktur für eine kritische Sicht auf AIDS nur sehr bedingt tauglich. Eine wesentlich interessantere Kritik findet sich in den hier aufgeführten Texte aus der 'ALASKA-Zeitschrift für Internationalismus' - Heft 234 - Bremen 2000 - von Patricia McFadden, Stephan Geene, Alexis Jeremias und Ilse Lass.
Fausto-Sterling, Anne (home - http://bms.brown.edu/faculty/f/afs/ -) - Sexing the Body. Gender Politics and the Construction of Sexuality - New York 2000
Das Buch beschreibt, kritisiert und dekonstruiert ausführlich die Konstruktion einer heterosexuellen Zweigeschlechtlichkeit durch Medizin und Biologie.
Fausto-Sterling, Anne (home - http://bms.brown.edu/faculty/f/afs/ -) - The Five Sexes. Why Male and Female Are Not Enough - in: the Sciences - New York, March/April 1993 - (Text - http://bms.brown.edu/faculty/f/afs/fivesexesprnt.pdf -)
Ein kurzer Text zur Kritik der biologischen Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit. Anne Fausto-Sterling zeigt dabei auf das die Biologie selbst keine Legitimation für eine zweigeschlechtliche Aufteilung der Welt liefert, sondern das die Vielfalt der biologischen Varianz eher für eine Art Kontinuum sprechen würde.
Viele weitere Informationen zum Thema Intersexualität (aber nicht immer biologiekritisch) finden sich auf den Seiten der ISNA - Intersex Society of North America - http://www.isna.org -.
Da der Text von Anne Fausto-Sterling sehr kurz ist, konnte sie das Thema nur andiskutieren. Real weist dies auf das sehr grundsätzliche Problem der medizinischen Biologie hin, dass entweder, alles als normal aufgefaßt werden kann, was biologisch existiert, oder, dass eine Grenze gezogen wird zwischen normal/unnormal, gesund/krank. Diese Grenzziehungen lassen sich selbst aber nicht aus der Empirie legitimieren, sie setzen immer voraus, der Natur einen übergeordneten Zweck zu unterstellen (z.B. den Zweck der 'Weiterentwicklung' oder des 'Arterhalts' usw.), den die Natur selbst nur unvollkommen erfüllen würde. Derartige Zwecke sind aber notwendiger Weise menschliche Setzungen, da sie, als der Natur übergeordnet, nicht aus dieser empirisch ableitbar sind, denn als empirischen Realitäten müßte die Natur ihnen genügen und es dürfte gar keine Abweichungen geben. Die Empirie als Maßstab könnte niemals zu empirischen Abweichungen von ihr selbst führen. Nur durch das zutiefst herrschaftsförmige Konstrukt, einer nicht empirischen platonisch abstrakten Idealnatur, können natürliche empirisch vorkommende Phänomene zur unnatürlichen Abweichungen (Unnormal/Krankheit) erklärt werden.
Diese menschlichen Zwecksetzungen und diese Definition einer Idealnatur sind erkenntnisleitende Setzungen/Vorurteile in denen sich die gesellschaftlichen Vorurteile der Zeit gespiegelt in der Natur wiederfinden. Die Ideologie der Zweigeschlechtlichkeit ist genau ein solches die biologische Forschung strukturierendes gesellschaftliches Vorurteil. Diese Ideologie ist dabei eng verwoben in ein Netz anderer wahrnehmungsstrukturierender Vorurteile und verweist heute auf die darwinistische Entwicklungsideologie. Die darwinistische Ideologie ist wiederum in ihrer Übernahme der Zwecksetzung der Vervollkommnung nichts anderes als säkularisierte christliche Ideologie. Der Streit zwischen Richard Dawkins u.a. und christlichen Dogmatikern ist insofern fast ein religionsinterner Streit, SoziobiologInnen und DarwinistInnen sind keine AtheistInnen sondern säkularisierte Gäubige eines biologistisch gewendeten Christentums.
GRAINE (home - http://www.grain.org/front/ -) - Fowl play, Falsches Spiel. Die zentrale Rolle der Geflügelindustrie in der Vogelgrippekrise - in: GRAIN Infobrief - Februar 2006 - Barcelona - (Text - http://www.huehner-info.de/vogelgrippe/vogelgrippe-GRAIN-feb2006.htm -)
Dies ist die Übersetzung eines Artikel der Organisation GRAIN (an international non-governmental organisation which promotes the sustainable management), in dem dargelegt wird, wie der Seuchendiskurs um die Vogelgrippe von der Lobby der Hühnerindustrie wieder besseren Wissens gegen die Freilandhaltung in Kleinbetrieben instrumentalisiert wird und dabei UN-Organisationen benutzt werden.
Haraway, Donna (home - http://www.egs.edu/faculty/haraway.html -) - The Virtual Speculum in the New World Order - in: Feminist Review - No. 55, Spring, pp. 22 bis 72 - 1997 - (Text - http://www.palgrave-journals.com/fr/journal/v55/n1/pdf/fr19973a.pdf -)
In diesem Text von 72 Seiten führt Donna Haraway an Beispielen aus dem Bereich der reproduktiven Gesundheit (Abbild des Fötus/Frauengesundheitsbewegung/Kleinstkinder- und Müttersterblichkeit in der Armutsbevölkerung in Brasilien) sehr verständlich die Bedeutung feministischer Wissenschafts- und Technikforschung für die feministische und politische Praxis aus. Dabei zeigt sie gleichzeitig ihr Verständnis einer feministischer Wissenschafts- und Technikforschung auf.
Zur Kritik des Fötusbildes als technokulturell erzeugter Icone (vergleichbar dem Bild der Erdkugel aus dem All aufgeladen mit religiöser Metaphorik) finden sich ausführlichere Texte bei Barbara Duden (siehe oben).
Illich, Ivan (info - http://de.wikipedia.org/wiki/Ivan_Illich -) - Tools for Conviviality - Internetpublikation - (Text - http://www.preservenet.com/theory/Illich/IllichTools.html -) - (Als Buch publiziert: Tools for Conviviality - London, 1973)
Ivan Illich war in den 60er und frühen 70er Jahren der vielleicht wichtigste Kritiker der modernen Zivilisationsmythen. Seine Bücher zur Wirkung des Schulsystems, als ein System, das vor allem im Trikont (Er selbst lebte in Lateinamerika), primär der Reproduktion von Herrschaft dient (Deschooling Society - Text - http://www.preservenet.com/theory/Illich/Deschooling/intro.html -), seine Analyse des Medizinalsystems, dass zur Verkrankung der Gesellschaft und zu mehr Elend führt, seine Kritik des Umgangs mit Sprache (Vernacular Values - Text - http://www.preservenet.com/theory/Illich/Vernacular.html -), seine Kritik an den Wirkungen von Technologie (Energy and Equity - Text - http://clevercycles.com/energy_and_equity/ -), u.a. stellten für viele Menschen weltweit den Ausgangspunkt für eine grundsätzliche Infragestellung des zivilisatorischen Fortschrittsmythos dar. Sie waren ein Ausgangspunkt moderner Wissenschafts- und Technologiekritik. Der Text Tools for Conviviality gibt noch einmal einen Überblick über einen Teil dieser Kritiken. Ivan Illich geht bei seiner Kritik sowohl von der historischen Analyse aus, die aufzeigt, dass auch viele Selbstverständlichkeiten Produkte historischer Prozesse sind (Z.B. unser Begriff von Gesundheit) und insofern durchaus als gesellschaftliche Setzungen auf ihre Wirkungen hin hinterfragt werden müssen, als auch vom Vergleich der Zivilisationsversprechen mit der Realität der Verelendung vieler Menschen.
Als katholischer Theologe liegt es Nahe seine Arbeit teilweise unter dem Blickwinkel eines ihr inhärenten strukturellen 'Katholizismus' zu kritisieren. Wie schon bei Barbara Duden ausgeführt lesen sich auch bei ihm viele Texte, wie die Vertreibung aus dem Paradies. Die moderne Technologie erscheint so wie der Apfel vom Baum der Erkenntnis, mit dem die Menschen sich selbst verdammen. Die Gewaltsamkeit und Vermachtung indigener Gesellschaften oder historischer Wissensformationen wird von ihm weitestgehend ausgeblendet, damit verstellt er das Verständnis, wie es zum Heute kommen konnte, und er negiert auch vielfältige Ansatzpunkte für Widerstand. Der Pessimismus der letzten Jahre Ivan Illich's basiert für mich in dieser Selbstverstellung der Analyse der realen Machtwirkungen, die zu einer strukturell 'katholischen' unaufhebbaren Schuld des Menschen führt, aus der kein Ausweg zu existieren scheint.
Ein wichtiger Bestandteil der Durchsetzung der Moderne (Technologie und Naturwissenschaft) war aber ihr Auftreten als Befreiung von traditionellen Zwängen, das heißt die Suche der Menschen nach Freiheit wurde für die Modernisierung der Herrschaft instrumentalisiert. Das Ziel der Freiheit existiert auch heute weiter und es gilt dieses Versprechen wieder aufzugreifen gegen die modernisierte Herrschaft, für eine anarchistische Naturwissenschaft und Gesellschaft.
Weitere Texte von Ivan Illich sind zu finden unter: - http://www.preservenet.com/theory/Illich.html -.
King, Nicholas (home - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -) - Security, Disease, Commerce: Ideologies of Post-Colonial Global Health - in: Social Studies of Science - Vol. 32 Nos 5-6 - London 2002 - (Text - http://www.mcgill.ca/files/biomedicalethicsunit/KingSecurityDiseaseCommerce.pdf -)
Dem "War Against Terrorism" ging ein sehr ähnliches ideologisches Konstrukt voraus der Kampf der USA gegen unberechenbare Krankheitserreger weltweit. Im Sinne eines "Emerging Deseases Worldview" wurde bereits unter der Präsidentschaft Bill Clintons eine weltweite gesundheitspolitische Eingriffspolitik der USA eingefordert, um den Ausbruch und die Weiterverbreitung von Krankheiten bereits in den 'Herkunftsländern' zu stoppen.
Weitere Texte von Nicholas King sind auf der Fakultätsnetzseite zu finden - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -.
King, Nicholas (home - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -) - Immigration, Race and Geographies of Difference in the Turberculosis Pandemic - in: The Return of the white Plague. Global Powerty and the 'New' tuberculosis - London / New York 2003 - (Text http://www.mcgill.ca/files/biomedicalethicsunit/KingImmigrationRaceandGeographiesofDifference.pdf -)
Aktuelle Politiken zum Umgang mit Tuberkulose in den westlichen Industrieländern assoziieren die Krankheit mit den Fremden und der Grenzkontrolle. Nicholas King führt aus das diese Ethnisierung / Biologiesierung einer genauen Betrachtung nicht standhält und statt dessen der Focus auf soziale Disparitäten, die Ernährungssituation, den Zugang zur Gesundheitsversorgung und adäquate Wohnverhältnisse im transnationalen Rahmen gelegt werden muß.
Weitere Texte von Nicholas King sind auf der Fakultätsnetzseite zu finden - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -.
King, Nicholas (home - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -) - The Influence of Anxiety: September 11, Bioterrorism, and American Public HealthImmigration, Race and Geographies of Difference in the Turberculosis Pandemic - in: Journal of the History of Medicine - Vol. 58, October - Oxford 2003 - (Text - http://www.mcgill.ca/files/biomedicalethicsunit/KingInfluenceofAnxiety.pdf -)
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King, Nicholas (home - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -) - Dangerous Fragments - in: Grey Room - Vol. 07, Spring - MIT 2002 - (Text - http://www.mcgill.ca/files/biomedicalethicsunit/KingDangerousFragments.pdf -)
Zwei Texte die versuchen die us-amerikanische Debatte über Bioterrorismus historisch und soziokulturell zu verorten. Was ist wirklich neu? Was weist auf verschobene Ängste hin?
Als These formuliert Nicholas King, dass Bioterrorismus als Realität und Metapher dafür steht, dass die Netzwerke der Globalisierung der Akkumulation von Wohlstand für wenige dienen und gleichzeitig massive Disparitäten und Gewalt bewirken, die nun umgekehrt durch die Netzwerke zurück diffundiert.
Weitere Texte von Nicholas King sind auf der Fakultätsnetzseite zu finden - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -.
King, Nicholas (home - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -) - The Scale Politics of Emerging Diseases - in: Osiris- Vol. 19 - The History of Science Society, 2004 - (Text - http://www.mcgill.ca/files/biomedicalethicsunit/KingScalePolitics.pdf -)
Nicholas King beschreibt die Diskurse und die ProtagonistInnen (aus Wissenschaft und Medien) und ihre Interessenhintergründe, die zur Durchsetzung des "Emerging Desease Worldview" geführt haben. Als zentral für die Funktionsweise dieser Kampagne thematisiert er dabei den fließende Übergang zwischen Größenordnungen (Microbiologie/Globalisierung) .
Weitere Texte von Nicholas King sind auf der Fakultätsnetzseite zu finden - http://www.mcgill.ca/biomedicalethicsunit/faculty/king/ -.
Kohler Riessman, Catherine (home - http://www2.bc.edu/~riessman/ -) - Women and Medicalisation - in: Weitz, Rose [Ed.] - The Politics of Women's Bodies. Sexuality, Appearance and Behaviour - New Yorck / Oxford 2003 - (Text - http://www2.bc.edu/~riessman/pdf/Women%20and%20Medicalization.pdf -)
Ein Text der einen guten Überblick über die Bedeutung der Medizin als Herrschafts- und Disziplinartechnologie gegenüber Frauen gibt und dies nicht nur am Beispiel des Gebärens. Der Text liefert außerdem eine Vielzahl an interessanten Literaturhinweisen zu diesem Thema.
Auf ihrer Homepage finden sich außerdem eine Reihe Texte der qualitativen Sozialforschung zu Einzelthemen aus dem Bereich Medizin/Gender - http://www2.bc.edu/~riessman/papers.html -.
Kothari, Manu L./Metha, Lopa A. (info - http://www.kem.edu/dept/anatomy/chronicle.htm -) - Violence in Modern Medicin - in: Nandy, Ashis [Ed.] (home) - Science, Hegemony and Violence, A Requiem for Modernity - New Delhi 1988 - (Text - http://www.unu.edu/unupress/unupbooks/uu05se/uu05se0d.htm#5.%20violence%20in%20modern%20medicine -)
Der Artikel kritisiert in polemischer Form aus der Sicht zweier indischer WissenschaftlerInnen die Moderne Medizin primär als ein System der Gewalt und der Bereicherung. Von den gleichen AutorInnen findet sich zu diesem Thema auch noch ein Buch im Internet - Living Dying - http://www.healthlibrary.com/book35.htm -.
Das Buch, in dem der genannte Artikel zu finden ist, ist entstanden im Rahmen eines wissenschaftlichen Programms der United Nations University in Tokyo. Im gleichen Buch sind weitere Artikel zum Zusammenhang Kolonialismus und Naturwissenschaftskritik zu finden. Auch dieses Buch ist im Internet zu finden unter - Science, Hegemony and Violence - http://www.unu.edu/unupress/unupbooks/uu05se/uu05se00.htm#Contents -.
Lauder, William (home - http://www.nm.stir.ac.uk/people/william-lauder.php -) -The medical model and other constructions of self-neglect - Tagungsbeitrag: PostModerne Diskurse zwischen Sprache und Macht - 20.-22. November 1998 in Erlangen - Gradnet e.V. - (Text - http://www.gradnet.de/papers/pomo98.papers/bylauder98.htm -)
In dem Text legt William Lauder am Beispiel der Diagnose Self-Neglect die Konstruktion von Krankheit und Gesundheit entlang gesellschaftlicher Normen dar (Im Beispiel Hygienenormen). Dabei wäre eine klarere Positionierung und radikale Analyse wünschenswert gewesen, viele Grundprobleme von Krankheitsdefinitionen werden aber trotzdem deutlich. Insbesondere durch die Verbindung, der hier von William Lauder ausgeführten Kritik an der medizinischen Engführung des Blicks, mit anderen Analysen, z.B. zum Umgang mit Körperhaarung und der Installation der Körperhaarentfernung als neuer Hygienenorm (siehe z.B. - http://irrliche.org/politische_kritik/achselhaare_rasur.htm -), wird deutlich, welches politisch repressive Gewaltpotential medizinischen Krankheitsnormen inhärent ist (Im Fall von Enthaarungsnormen betrifft dies vor allem die Aufrechterhaltung einer binären heterosexistischen Körperordnung durch die Formierung weiblicher Körper).
Lemke, Thomas (home - http://www.gesellschaftswissenschaften.uni-frankfurt.de/tlemke/ -) - Gesunde Körper - kranke Gesellschaft? Medizin im Zeitalter der Biopolitik - in: Zeitschrift für Biopolitik - 2. Jg., Nr. 2 - Seite 67-71 - Berlin 2003 - Internetpublikation - (Text - http://www.thomaslemkeweb.de/publikationen/Gesunde K%F6rper(FR).pdf -)
Der Text stellt sehr kurz einige interessante Thesen dar. Er kritisiert zuerst die Ausblendung sozialwissenschaftlichen Wissens aus der Analyse medizinischer Praxen und die inflationäre Verwendung des Begriffs Bio-Politik. Ausgehend von der Analyse, dass soziale und politische Zusammenhänge in der Diskussion der Bio- und Medizintechnologie ausgeblendet werden, das die Frage, "[..] welche Interessen (verbinden) sich mit der Durchsetzung bestimmter Krankheitsbilder und der Suche nach spezifischen Krankheitsursache", in der Wissenschaft außen vor bleibt, werden vier Problemkomplexe andiskutiert.
1) Virtualisierung - Durch die prädikative Medizin wird Krankheit zum Normalfall, der Krankheitsbegriff wird auf Zustände ausgedehnt, die bisher nicht als krank galten, der Normierungsdruck steigt.
Als Kritik an Lemke ergibt sich die Frage, ob dies nicht ein Grundmoment der Medizin ist und schon lange gilt.
2) Individualisierung - Die biologistische - genetische, neurologische - Erklärung individueller Krankheitsverläufe, eine biologistische Konstruktion des Individuums.
3) Sozialisierung - Körperteile und -substanzen werden zur Ware. Die Medizin wird zunehmend von Kosten/Nutzen Erwägungen bestimmt. 'Genetische Risiken' begründen neue Abhängigkeiten und Verpflichtungen innerhalb der Verwandtschaftsbeziehungen.
4) Naturalisierung - Die Auflösung z.B. der Artgrenzen durch die Genetik führt als Reaktion zu einer Verschärfung der soziobiologistischen Diskurse der Naturalisierung von Grenzsetzungen, sexistischer, rassistischer, usw.
Als Kritik an Lemke ist hier festzustellen, dass die moderne Medizin im Gegenteil zur Behauptung der Auflösung von Grenzen zur verstärkten Einschrift der binären geschlechtlichen Ordnung auf der Ebene des immer schon konstruierten biologischen Körpers führt und das nicht nur diskursiv. Z.B. durch Enthaarungspraxen, durch die Auslöschung intersexuellen Lebens, durch operative Praxen (Klitorisverkürzungen/'Schönheits'operationen/), durch Hormonbehandlungen, usw. usw.. Die Medizin führt dadurch zu einer Verengung der Handlungsspielräume, die aus der leiblichen Vielfalt und Uneindeutigkeit resultieren, da diese Vielfalt systematisch eliminiert wird.
Der Text ist kurz und gut verständlich. An vielen Stellen würde aber mehr Ausführlichkeit gut tun oder zumindest Hinweise zum Weiterlesen.
Thomas Lemke hat eine Vielzahl an Artikeln zur Medizin- und Gentechnologiekritik auf seiner Netzseite publiziert - http://www.thomaslemkeweb.de/publikationen/zeitschrbeitr.htm -.
Millett, Kate (info - http://en.wikipedia.org/wiki/Kate_Millett -) - Der Klapsmühlentrip - Köln, 1996 - Textauszug - (Text - http://www.ak-anna.org/der_neue_mensch/medizin_kritik_norm/zwangspsychiatriesierung_frauen.htm -)
Die Schriftstellerin Kate Millett, eine der bekanntesten Vertreterinnen der Frauenbewegung, schildert im Buch 'Der Klapsmühlentrip' in klarer und eindringlicher Sprache die Gewalt der psychiatrischen Institutionen, die sich insbesondere gegen Frauen richtet. Die bekannte Feministin wurde selbst Opfer dieses Systems und geht aus von ihren eigenen Erfahrungen einer jahrelangen Odyssee durch die Psychiatrie. Kate Millett ist eine der bekanntesten Vertreterinnen der Antipsychiatriebewegung.
Orland, Barbara (home - http://wifo.unibas.ch/personen/barbara-orland/ -) - Der Mensch entsteht im Bild. Postmoderne Visualisierungstechniken und Geburten - in: Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik - Band 1,1, Bilder in Prozessen - Akademie Verlag - (Text - http://www.tg.ethz.ch/dokumente/pdf_files/2003_Orland_DerMenschentstehtimBild.pdf -)
"Mit dem Aufkommen des Ultraschalls und seiner inflationären Verwendung in der Geburtshilfe, so Barbara Duden, wurde aus einer �guten Hoffnung" ein Kind, aus dem Embryo ein separates, autonomes Wesen und aus der Schwangeren ein �überwachungs-, beratungs- und entscheidungsbedürftiges Umfeld" des Foetus."
In diesem Text wirft Barbara Orland die Frage auf, wie sich die 'neuen' bildlichen Konstruktionen des Schwangerenkörpers und des 'Fötus' auf die Konzeption der Geburt auswirken.
Leider verzichtet sie dabei auf eine radikale Infragestellung der naturwissenschaftlich-technologischen Wahrheitsproduktion.
(Weitere Text von Orland im Zugriff unter - http://www.tg.ethz.ch/forschung/archiv/ehemalige/BarbaraOrlandPubl.htm#Beitraege -)
Perkins Gilman, Charlotte (info - http://en.wikipedia.org/wiki/Charlotte_Perkins_Gilman -) - Die gelbe Tapete - USA 1892 - Textfassung gekürzt - (Text - http://www.ak-anna.org/der_neue_mensch/medizin_kritik_norm/depression_frauen.htm -)
Ein früher Texte (Ende 19tes Jahrhundert) über die normierende Gewalt der Medizin gegen Frauen, für die die Krankheit, die einzige Möglichkeit scheint sich dem Funktionieren in der Frauenrolle zu entziehen. Die Erzählung - Die Gelbe Tapete - von Charlotte Perkins Gilman beschreibt die Flucht einer Frau in die Depression und hat starke autobiografische Bezüge. Charlotte Perkins Gilman überwand ihre eigene schwere Depression dadurch, dass sie ihre Familie (zuerst den Mann und dann auch die Tochter) verließ und sich der feministischen politischen Arbeit widmete. Aus dieser Position war es ihr auch möglich neue Liebesbeziehungen einzugehen.
Reiche, Claudia (info - http://www.thealit.de/?ADR_ID=4 -) - Bio(r)EvolutionTM, Zum aktuellen militärisch-medizinischen Komplex - in: Strategien der Gesundheitsökonomie - Heidrun Kaupen-Haas et al. [Hg.] - Frankfurt am Main 1998 - (Text - http://www.obn.org/reading_room/writings/html/biorev_d.html -)
"Anlaß dieses Textes sind Eindrücke beim Besuch zweier internationaler Medizinkonferenzen in San Diego, die im Januar 1998 stattgefunden haben. Beide Konferenzen gingen in Teilen des Programms zusammen, es kann meines Erachtens die eine gleichsam als Fortsetzung der anderen betrachtet werden, nämlich als Artikulation, mehr noch als Verdichtung des aktuellen militärisch-medizinischen Komplexes, wie er sich vielfältig gerade in San Diego erforschen läßt."
Weitere Texte der gleichen Autorin findet Ihr unter - Claudia Reiche - Auswahl an Publikationen - http://www.obn.org/reading_room/writings/html/works.html -.
Reiche, Claudia (Info - http://www.thealit.de/?ADR_ID=4 -) - �Dual Use'? High Tech für militärische und zivile Nutzungen in Medizin und Kunst - in: Elke Bippus, Andrea Sick [Hg.] - Industrialisierung Technologisierung von Kunst und Wissenschaft - Bielefeld, 2005 - (Text - http://www.ak-anna.org/der_neue_mensch/medizin_kritik_norm/medizin_militarismus_dual_use.htm -)
Der Text von Claudia Reiche fragt nach den Konsequenzen des �Dual Use'?-Konzeptes für Medizin und Kunst am konkreten Beispiel aktueller Forschungsselbstdarstellungen der DARPA.
Weitere Texte der gleichen Autorin findet Ihr unter - Claudia Reiche - Auswahl an Publikationen - http://www.obn.org/reading_room/writings/html/works.html -.
Samerski, Silja (home - http://silja.samerski.phil.uni-hannover.de/ -) - Die Freisetzung genetischer Begrifflichkeiten - 2001 - Internetpublikation - (Text - http://www.pudel.uni-bremen.de/pdf/Samerski03DieFreisetzGuteGene160903.pdf -)
Ein Text der differenziert die Bedeutung des Wortes Gen als ideologisches Füllwort in der Produktion des Risikodiskurses aufzeigt.
Weitere Texte von Silja Samerski sind zu finden unter: - http://www.pudel.uni-bremen.de/431dt_silja_samerski.html#Bibliographie -.
Samerski, Silja (home - http://silja.samerski.phil.uni-hannover.de/ -) / Duden Barbara (home - http://barbara.duden.phil.uni-hannover.de/ -) - Das aufgeschwatzte Risiko / Genetische Beratung als Sprachritual - 1997 - Internetpublikation - (Text - http://www.pudel.uni-bremen.de/pdf/duden_samerski_das_aufgeschwatzte.pdf -)
Ein Kritik zur Verwendung des Risikobegriffes in der Pränataldiagnostik.
Weitere Texte von Silja Samerski sind zu finden unter: - http://www.pudel.uni-bremen.de/431dt_silja_samerski.html#Bibliographie -.
Samerski, Silja (home - http://silja.samerski.phil.uni-hannover.de/ -) - Vom Zahlenzauber der Statistik / Ein Lehrstück über die Zumutungen des Risikodenkens - 2002 - Internetpublikation - (Text - http://www.pudel.uni-bremen.de/pdf/Samerski02VomGigDt_FIN.pdf -)
Kritik des Denkens in Statistiken und ihrer Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung der Menschen.
Weitere Texte von Silja Samerski sind zu finden unter: - http://www.pudel.uni-bremen.de/431dt_silja_samerski.html#Bibliographie -.
Sarasin, Philipp (home - http://www.fsw.uzh.ch/page/mitarbeiter-portrait.php?id=6 -) - Wie Anthrax das imaginäre kontaminiert. Umzingelt von unsichtbaren Feinden - in: Die Wochenzeitung - Zürich, 25.10.2001
Philipp Sarasin hat in einer ganzen Reihe Texte, die Verwendung von Freund-Feindmetaphern in der Mikrobiologie und ihre politischen Implikationen dargestellt und kritisiert. Dieser Zeitungstext führt zentrale Thesen aus.
Schultz, Susanne (info - http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/mitarbeiterinnen -) - Feministische Bevölkerungspolitik? Zur internationalen Debatte um Selbstbestimmung - in: Eichhorn, Cornelia/Grimm, Sabine - Gender Killer Texte zu Feminismus und Politik - Amsterdam 1994 - (Text - http://www.nadir.org/nadir/archiv/Feminismus/GenderKiller/gender_2.html -)
"Auf jeden Fall sind politische Strategien und Handlungsspielräume von Frauen innerhalb der Reproduktionsweisen nicht mit einer bevölkerungspolitischen Verantwortung von Frauen zu verwechseln. Der Mangel an feministischer Auseinandersetzung mit den Prämissen von Bevölkerungspolitik und ihre unklare, neutrale Bestimmung als Politik, die sich auf die Reproduktionsweise richtet, verleitet zu solchen Trugschlüssen. Es wird damit nahegelegt, zwischen einer guten, demokratischen, weil in die Verantwortung der Staatsbürgerinnen hineinverlegten und insofern selbstbestimmten, Bevölkerungspolitik und einer schlechten, weil autoritären und auf Zwangsmaßnahmen beruhenden, unterscheiden zu können. Der tendenzielle Übergang von Zwangsmaßnahmen zu konsensuellen und integrativen Konzepten hat jedoch bislang nichts an den Zielen von Bevölkerungspolitik als Machtstrategie des modernen Staates geändert, der Bevölkerung zur Variablen erklärt, um sie zu regulieren und ihre Reproduktion zu kontrollieren."
Das gesamte Buch findet Ihr unter - Gender Killer - http://www.nadir.org/nadir/archiv/Feminismus/GenderKiller/ -.
Schultz, Susanne (info - http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/mitarbeiterinnen -) - Müttersterblichkeit zwischen Risiken und Rechten. Eine Diskursanalyse zur Medikalisierung von Bevölkerungspolitik. - Internetpublikation 2002 - (Text - http://www.glow-boell.de/de/rubrik_3/6_172.htm -)
Thesen zur Medikalisierung der Bevölkerungspolitik nach der UNO-Konferenz in Kairo als in die Subjekte hinein verlagerte Machtpolitik.
Schultz, Susanne -(info - http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/mitarbeiterinnen -) - Neoliberale Transformationen internationaler Bevölkerungspolitik: Die Politik Post-Kairo aus der Perspektive der Gouvernementalität - S. 452 bis 480 - in: Peripherie. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, Schwerpunktheft Gouvernementalität - Nr. 92, 23. Jg. - Dezember 2003 - (Text - http://www.ak-anna.org/der_neue_mensch/medizin_kritik_norm/bevoelkerungspolitik_feminismus.htm -)
Der Text diskutiert die Bedeutung der Modernisierung der bevölkerungspolitischen Diskurse für unterschiedliche AkteurInnen und die unterschiedlichen Zielgruppen bevölkerungspolitischer Programme. Susanne Schultz arbeitet so heraus, dass unterschiedliche soziale Gruppen mit unterschiedlichen politischen Strategien angegangen werden, die aber fast alle den Begriff der Selbstbestimmung stark verkürzen oder in sein Gegenteil wenden. 'Selbstbestimmtes freies Handeln' wird definiert als vernünftiges entsprechend dem, den bevölkerungspolitisch Vorgaben folgenden, medizinischen Risikodiskurs.
Schultz, Susanne (info - http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/mitarbeiterinnen -) - Von der Regierung reproduktiver Risiken / Gender und die Medikalisierung internationaler Bevölkerungspolitik - S. 68-89 - in: Marianne Pieper, Encarnaci�n Guti�rrez Rodr�guez (Hg.) - Gouvernementalität. Ein sozialwissenschaftliches Konzept in Anschluss an Foucault - Campus Verlag Frankfurt a.M 2003 - (Text - http://www.ak-anna.org/der_neue_mensch/medizin_kritik_norm/medikalisierung_bevoelkerungspolitik.htm -)
In diesem Text stellt Susanne Schultz dar wie die modernen Bevölkerungspolitik zunehmend auf die Führung durch Selbstführung, also auf das Subjekt - die Frau und ihre Selbstwahrnehmung - gerichtet ist. Der Zugang erfolgt dabei über die Medikalisierung der Schwangerschaft und Risikodiskurse. Diese Risikodiskurse bauen nicht nur auf biologistischen Argumentationen sondern auch auf entpolitisierten sozialen Argumentationen auf.
Selin, Helaine (info - https://hampedia.org/wiki/Helaine_Selin -) - Ed. - Medicine Across Cultures, History and Practice of Medicin in Non-Western Cultures - Dordrecht 2003
Das Buch gibt in 19 Artikeln unterschiedlicher AutorInnen einen Überblick über den westlichen Wissensstand über die Medizin anderer Kulturen. Eine kritische Hinterfragung der an westlichen Ideologien orientierten Darstellungspraxis findet in den meisten Texten nicht statt. Trotzdem um einen ersten Überblick zu gewinnen ein sinnvolles Buch.
Sichtbar wird hier z.B., dass der Metapher des Flüssigen in der Chinesischen Medizin die Reproduktion autoritärer heterosexistischer Klischees inhärent ist. Im Gegenteil zu Europa wo traditionellerweise in einer Logik des Festen, z.B. einem mechanistischen Körperbild, argumentiert wird und hier die Geschlechterklischees reproduziert werden, z.B. über den Ausschluss des Weiblichen als Nicht-Festes, Flüssiges, kommt der Metapher des Flüssigen, bzw. der 'richtigen' Flüsse, in China fast die umgekehrte Bedeutung zu. Die oppositionelle, gegen z.B. die heterosexistische Ordnung gewandte Verwendung der Metapher des Flüssigen, aus z.B. europäischen feministischen Diskursen (Luce Irigaray u.a.) ist nicht auf die chinesische Kultur übertragbar. Die unkritische Übernahme der chinesischen Metaphern des Flüssigen in der europäischen Alternativmedizin führt häufig zur Reproduktion reaktionärster Klischees.
Mit Luce Irigaray ließe sich sagen, die chinesische Metapher des Flüssigen entspricht einer Logik des Festen.
Stander, Christell - Pervertig the scientific gaze - (Text - http://web.up.ac.za/UserFiles/C.Stander(1).pdf -)
Eine Kritik der Medizin als gewaltsamer Normsetzungspraxis aus politischer feministischer Sicht, der noch einmal kurz einige wesentliche Kritik Punkte vor allem aus der poststrukturalistischen Sicht benennt. Der Artikel ist dabei kein typischer Wissenschaftstext sonder eher individuell engagiert.
Star, Susan Leigh (home - http://www.ischool.pitt.edu/people/star.php -) - Regions of the Mind - Stanford 1989
Organisationssoziologische Untersuchung zu den Gründen der Entstehung und Durchsetzung neurologischer Lokalisationstheorien im 19ten Jahrhundert in England. Die Untersuchung macht am Beispiel deutlich, dass naturwissenschaftliche Entwicklungen wesentlich von Arbeitsstrukturen, den sozialen Verortungen und Möglichkeiten der ForscherInnen und materiellen wissenschaftlichen Produktionsbedingungen (Laborausstattungen, Zugang zu PatientInnen, usw.) bestimmt werden. Susan Leigh Star ist sich dabei klar, dass sie mit der Infragestellung des Dogmas, dass naturwissenschaftliche Entwicklungen primär durch objektive Naturtatsachen bestimmt würden, eine Religion auf dem Höhepunkt ihrer Macht kritisiert.
Star, Susan Leigh (home - http://www.ischool.pitt.edu/people/star.php -) / Bowker, Geoffrey C. (home - http://epl.scu.edu:16080/~gbowker/ -) - Sorting Things Out: Classification And Its Consequences - Internetpublikation 1999 (Auszug aus einem Buch der AutorInnen publiziert bei MIT Press 1999) - (Text - http://epl.scu.edu:16080/~gbowker/classification/ -)
Grundlegende und umfassende kritische Untersuchung zu Ausschlüssen, Normen und politischen Implikationen die durch medizinische Klassifikationssysteme erzeugt werden, bzw. in diese einfließen.
Weitere Texte von Geoffrey Bowker finden sich auf seiner - Homepage - http://epl.scu.edu:16080/~gbowker/pubs.htm -.
Star, Susan Leigh (home - http://www.ischool.pitt.edu/people/star.php -) / Bowker, Geoffrey C. (home - http://epl.scu.edu:16080/~gbowker/ -) - How things (actor-net)work: Classification, magic and the ubiquity of standards - (Text - http://epl.scu.edu:16080/~gbowker/actnet.html -)
"* What work do classifications and standards do? We want to look at what goes into making things work like magic: making them fit together so that we can buy a radio built by someone we have never met in Japan, plug it into a wall in Champaign and hear the world news from the BBC.
* Who does that work? We want to explore the fact that all this magic involves much work: there is a lot of hard labor in effortless ease[1]. Such invisible work is often not only underpaid - it is severely underrepresented in theoretical literature (Star and Strauss, in press). We will discuss where all the `missing work' that makes things look magical goes.
* What happens to the cases that don't fit? We want to draw attention to cases that don't fit easily into our created world of standards and classifications: the left handers in the world of right-handed magic, chronic disease sufferers in the world of allopathic acute medicine, the onion-hater in MacDonalds (Star, 1991b) and so forth."
Weitere Texte von Geoffrey Bowker finden sich auf seiner - Homepage - http://epl.scu.edu:16080/~gbowker/pubs.htm -.
Tew, Marjorie (Info - http://www.fabooks.com/author.php?id=157 -) - Safest birth attendants: recent Dutch evidence - S. 55 bis 63 - in: Midwifery 7 - London 1991
Kurzdarstellung einer empirischen statistischen Untersuchung über die Bedeutung der Verlagerung der Geburt in Krankenhäuser für die Gesundheit von Mutter und Kind. Deutlich wird das die allgemeine Verlagerung der Geburt ins Krankenhaus keinen gesundheitlichen Fortschritt erbracht hat im Vergleich zur Geburt mit Unterstützung einer Hebamme.
Visvanathan, Shiv (Info - http://www.ces.uc.pt/emancipa/cv/gen/shiv.html -) - Modern Medicine and its Non-Modern Critics: A Study in Discourse - in: A Carnival for Science, Essays on Science, Technology and Development - New Delhi 1997
Eine Darstellung und Reflektion der indischen Naturwissenschafts- und Medizinkritik der ersten Hälfte des 20ten Jahrhunderts, insbesondere durch Gandhi und Vertreter(Innen?) der traditionellen indischen Medizin.
Im gleichen Buch finden sich weitere Texte zu anderen Bereichen der Naturwissenschaftskritik des gleichen Autors.
Sehr problematisch ist der unkritische Bezug des Autors auf Helena P. Blavatsky und die Theosophie. Sowohl die Texte Blavatskys wie die Wurzelrassentheorie der Theosophie sind Teil der ideologischen Grundlagen auf denen die nationalsozialistische Rassenlehre aufbauen konnte und auf die sich Nationalsozialisten im Fall Blavatsky auch direkt bezogen. Ein Bezug auf Blavatsky erfordert hier zumindest eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Zusammenhang. Dies leistet der Autor nicht und trägt damit potentiell zur Verharmlosung rassistischen Gedankenguts bei. Blavatsky als frühe feministische Position zu empfehlen ist insbesondere angesichts der Ignoranz des Autors gegenüber der Vielzahl feministischer naturwissenschaftskritischer Texte der letzten Jahrzehnte grob irreführend. Noch krasser wird dies bei seinen Bezugnahmen auf Peter Singer, den wohl bekanntesten modernen Befürworter der Ermordung Behinderter, falls sie nach utilitaristischer Logik nicht in der Lage zu einem 'lebenswertem' Leben seien. Genaueres dazu aber im auf diesen Hinweis folgenden zweiten Texthinweis auf einen Text dieses Autors.
Visvanathan, Shiv (Info - http://www.ces.uc.pt/emancipa/cv/gen/shiv.html -) - A Carnival of Science & On the Annals of the Laboratory State - A Carnival for Science, Essays on Science, Technology and Development - New Delhi 1997 - (Text - http://www.unu.edu/unupress/unupbooks/uu05se/uu05se0k.htm#8.%20on%20the%20annals%20of%20the%20laboratory%20state -)
In diesen beiden Texten analysiert der Autor für Indien den Zusammenhang kolonialer und postkolonialer Machtregime mit Denken und angewendeter Praxis der (Natur-)Wissenschaften. Er führt aus, dass die Gesellschaft und große Teile der Bevölkerung zum Labor und zu Versuchskaninchen gemacht werden. Auch und insbesondere im postkolonialen Indien, in dem die Sachargumentation einer für lokale Gegebenheiten ignoranten Wissenschaft zur Legitimation eines autoritären Staates wird.
Im gleichen Buch finden sich weitere Texte zu anderen Bereichen der Naturwissenschaftskritik des gleichen Autors.
Absolut unverständlich ist der unkritische positive Bezug auf den australischen Eugenikbefürworter Peter Singer. Singer wird im Buch als einer der wichtigsten Tierversuchgegner weltweit breit zitiert. Die Argumentation die Vis Vishvanathan hierauf aufbaut ist, dass die Brutalität mit der Tiere gequält werden letztendlich auch zur Brutalität gegen Menschen führt. Dadurch, dass der Autor sich in diesen Punkt aber gerade primär auf Peter Singer als Quelle bezieht, führt er seine eigenen Argumentation ad Absurdum. Peter Singer ist ein sehr aktiver Tierliebhaber und Tierversuchsgegner und gleichzeitig als Bioethiker einer der führenden Philosophen, die die Tötung behinderter Menschen als legitim vertreten. Sein Hauptargument als Utilitarist ist dabei 'Leid' bzw. Empfindungsunfähigkeit, d.h. ein nicht 'lebenswertes' Leben, zu beenden. Er wiederholt damit in den 80er Jahren im Detail einen Teil der Argumentation der nationalsozialistischen Ideologie für die Ermordung tausender Behinderter in der Aktion T 4 und für den Beginn des Holocaust. Denn die Vernichtung Behinderter war die erste große industrielle Mordaktion der Nationalsozialisten, sie war das Modell für das Folgende. In diesem Sinn wurde Singer auch in Deutschland von der Neuen Rechten aufgegriffen, und seine Argumentation zur Relativierung des Holocaust benutzt. Veranstaltungen mit Peter Singer in Deutschland wurden begrüßenswerter Weise mehrfach von Krüppelgruppen und feministischen Gruppen verhindert. Der 'Tierfreund' Singer ist gerade ein Beispiel dafür, dass die Liebe zu Tieren mit einem Haß auf Menschen einhergeht. Die Logik läuft dabei entlang des bekannten Klischees vom guten und schlechten Wilden, wobei der/das gute Wilde hier durch das Tier und der/das schlechte Wilde durch die 'entarteten' 'lebensunwerten' Menschen verkörpert wird.
Die Tierliebe eines Adolf Hitler ist kein Zufall. Die Ideologien von Tierschutz und Massenmord können durchaus sich ergänzende Logiken darstellen. Die von der Kritik an Tierversuchen ausgehende Logik Visvanathans greift insofern zu kurz.
Dieser Text wurde hier trotzdem aufgenommen, trotz des unkritischen Bezüge auf Singer, die seine eugenische Ideologie vollständig ignorieren, da dieser Text in anderen Bereichen wirklich informativ und interessant ist.
Der Artikel ist vorher bereits in einem anderen Buch erschienen, das entstanden ist im Rahmen eines wissenschaftlichen Programms der United Nations University in Tokyo. Im gleichen Buch sind weitere Artikel zum Zusammenhang Kolonialismus und Naturwissenschaftskritik zu finden. Auch dieses Buch - Science, Hegemony and Violence - http://www.unu.edu/unupress/unupbooks/uu05se/uu05se00.htm#Contents - ist im Internet zu finden.
Und noch ein kurzer Text zur Kritik der möglichen Distopie einer Medizin der Zukunft - Die Zukunft des biopolitischen Totalitarismus - Medizin & Kranheitsbegriff
Anfang
Letzte Aktualisierung 30.05.2010
Literaturhinweise zur Kritik und Alternativen - Medizin - Kranheitsbegriff - Statistik - Schwangerschaft -: Pränataldiagnostik, Hebammen, Körper, Sexualitaet, Depression, Psychiatrie, Sexismus, Gewalt, Barbara Duden, Militarismus, krank, Norm, Normierung, Krankheit, Foucault
Die Zukunft des biopolitischen Totalitarismus - Medizin & Kranheitsbegriff
Die Medizin ist neben Polizei, Militär und Justiz die vierte repressive Instanz zur Durchsetzung von Herrschaft im bürgerlichen Staat. Bürgerliche Medizin & Krankheitsbegriff sind biopolitische Instrumente zur Formierung / Produktion des Körpers und Selbstverständnisses der Subjekte im bürgerlichen Staat, und, zur Verwaltung des Bevölkerungskörpers, seiner Optimierung für die Bedürfnisse der kapitalistischen Akkumulation.
Früher gab es eingebildete Kranke, mit dem neuen Medizin & Krankheitsbegriff gibt es in der Zukunft wohl nur noch eingebildete Gesunde. Denn diese neue Medizin & dieser Krankheitsbegriff führen dazu, daß bald wohl Alle krank sind.
Schon heute behauptet diese neue Medizin, mit ihrem Krankheitsbegriff, daß 30% der Menschen an Depression erkranken würden und ein Behandlungsdefizit entstünde, da die meisten Erkrankten dies nicht als Krankheit begreifen würden. Aber die neue Medizin, mit ihrem Krankheitsbegriff, wird schon dafür sorgen, daß Menschen ihre Unzufriedenheit nicht mehr in politische Handlung umsetzen, sondern demnächst, im Sinne dieser neuen Medizin & ihres Krankheitsbegriffes, ihre Unzufriedenheit als Krankheit begreifen und mit Psychodrogen kurieren lassen. Falls nicht genug Menschen sich durch die Medizin & ihren Krankheitsbegriff überzeugen lassen, muß den Kranken natürlich trotzdem durch diese neue Medizin & diesen Krankheitsbegriff geholfen werden, wie wäre es mit Psychopharmaka im Trinkwasser?
Und alle laufen nur noch 'fröhlich' herum.
Das Problem ist dabei das Drogenmonopol der Medizin und des Staates, nicht primär die Droge. Freiwillig sollte jede/r nehmen dürfen, was er / sie will. Aber das ist natürlich nicht im Sinn der biopolitischen Verwaltung der Subjekte durch Medizin & Krankheitsbegriff.
Fatal wird dies allerdings dadurch, daß die meisten die Normen der Medizin internalisiert haben und eine Unterscheidung zwischen Freiwilligkeit und Zwang nur bedingt sinnvoll möglich ist.
Die Medizin dient in dieser Modernisierung als biopolitisches Instrument, zur weiteren Zerstörung des Raumes des Politischen, und, zur weiteren entindividualisierten Individualisierung der Subjekte. Das Scheitern an gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen wird im Begriff der Krankheit individualisiert, gleichzeitig werden die Subjekte als Objekte der Medizin entindividualisiert und ihnen Handlungskompetenz abgesprochen.
In der Internalisierung dieser medizinischen Zuweisungen entmündigen sich dabei die Subjekte selbst.
Bürgerliche Medizin & Krankheitsbegriff sind zur Entmündigung der Menschen geschaffen. Die moderne Medizin definiert Krankheit ja gerade unabhängig vom Subjekt und ihrem / seinem Empfinden. Diese Medizin & dieser Krankheitsbegriff definieren krank nicht mehr an Hand des Befindens von Menschen, sondern auf Grund abstrakter Messungen, die zumindest teilweise in keinerlei Bezug zur Lebenswirklichkeit der Menschen stehen. Die neue Medizin & ihr Krankheitsbegriff rekurieren z.B. auf sogenannte genetische Dispositionen.
Dies sind aber rein statistische Werte, die auf das Individuum nicht übertragen werden können. Ein Übertrag auf das Individuum ist mathematisch falsch und rein ideologisch begründet.
Einfach zu begreifen ist dies an Hand eines mathematischen Beispiels.
Bei sechs Würfeln, einen Würfel nur mit Einsen, einen Würfel nur mit Zweien, einen Würfel nur mit Dreien, einen Würfel nur mit Vieren, einen Würfel nur mit Fünfen, und einen Würfel nur mit Sechsen, wird beim Würfeln mit allen sechs Würfeln jede Zahl statistisch gleichhäufig erscheinen. Daraus zu schließen, dies würde auch für die einzelnen Würfel gelten, ist aber offensichtlich falsch.
Nur bei sechs gleichen Würfel wäre ein Schluß von der Statistik auf den Einzelfall zulässig.
Menschen sind aber nicht gleich. Das heißt, daß statistische Krebsrisiko bezogen auf den Faktor X sagt absolut nichts über mein individuelles Krebsrisiko aus, auch wenn der Faktor X bei mir vorkommt, bin ich doch ansonsten unterschiedlich zu allen anderen Menschen mit demselben Faktor.
Die Medizin & der Kranheitsbegriff sind Kontrolltechnologien, die nach dem Modus des 'Leben und Sterben lassens' funktionieren. Durch die Medizin & ihren Kranheitsbegriff, der Krankheit statistisch faßt, wird Krankheit und Gesundheit primär unter dem Gesichtspunkt einer BioPolitik des Bevölkerungskörpers und einer BioPolitik der Körpernorm definiert, im Sinn der Optimierung der Menschen für den Markt. Die/der individuelle Mensch kommt in dieser Medizin & diesem Krankheitsbegriff nur noch als Störfaktor, Abweichung von der Norm dieser Medizin & ihres Krankheitsbegriffes, vor.
Als krank werden Menschen definiert, die ein statistisches Ausfallrisiko für den Produktionablauf darstellen, unabhängig davon, ob sie selbst sich krank fühlen. Langfristig zielen die Praxen der Medizin aber darauf ab, dafür zu sorgen, daß die Menschen diesen entfremdeten Krankheitbegriff internalisieren, und, sich selbst nur noch unter dem Gesichtspunkt der Optimierung für den kapitalistischen Verwertungsprozess wahrnehmen.
J.Djuren, Hannover 2006/08