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Literaturhinweise zu Kritik und Alternativen
- Erkenntnistheorie - Alternativen -
AK-ANNA.ORG (home - http://www.ak-anna.org -) - Zeitungsbeilage, Alternative Naturwissenschaften Naturwissenschaftliche Alternativen - graswurzelrevolution 272 - Oldenburg 2002 - Autor: Djuren, Jörg - (Text - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/zeitung.pdf -)
Der AK-ANNA hat im Jahr 2002 eine Zeitung mit einer Sammlung von Artikeln zur Naturwissenschaftskritik herausgebracht. Die Artikel einzeln:
- Naturwissenschaft als revolutionäre Praxis
Der Text stellt, ausgehend von einer Kritik der Naturwissenschaften, unterschiedliche Ansätze für eine alternative linksradikale naturwissenschaftliche Theorie und Praxis dar - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/naturwissenschaften_kritik.htm -.
- Der Bodensatz der Suppe. Ansätze für eine qualitative naturwissenschaftliche Empirie
Ein Text, der ausgehend von Qualitativen Forschungsansätzen in den Sozialwissenschaften, konkrete Möglichkeiten einer alternativen naturwissenschaftlichen empirischen Praxis aufzuzeigen versucht. Ausgangspunkt ist dabei die Forderung der feministischen Theoretikerin Sandra Harding an die Naturwissenschaften nach einer "starken Objektivität" bzw. "verorteten Praxis" - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/empirie_naturwissenschaften.htm -.
- Feministische Naturwissenschaftskritik
Ein kurzer Überblick über grundlegende Texte der feministischen Kritik der Naturwissenschaften, mit weiterführenden Links - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/feminismus_naturwissenschaftskritik.htm -.
- Recht(s)gläubige Abspaltungen der Naturwissenschaft
Der Text gibt einem Überblick über wesentliche Fragestellungen, die es ermöglichen esoterische und rechte 'alternative' Naturwissenschaftsansätze als solche zu erkennen - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/esoterik_naturwissenschaften.htm -.
- Was tun? Für eine widerständige Wissenschaftspraxis. Warum Banden zu bilden und kriminell zu werden nicht ausreicht.
Ein Plädoyer für den Aufbau naturwissenschaftlicher Theorie- und Praxiszusammenhänge außerhalb und unabhängig von den bestehenden Wissenschaftsstrukturen - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/universitaet_alternativen.htm -.
- Diskussion mit einem Genetiker
Eine Satire, die den dubiosen Umgang mit Sprache in Naturwissenschaften aufzeigt - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/genetik.htm -.
Anderson, Warwick (home - http://www.arts.usyd.edu.au/departs/history/staff/profiles/anderson.shtml -) - Postcolonial Technoscience - in: Social Studies of Science - Vol. 32 Nos 5-6 - London 2002
In dieser Einleitung der Ausgabe von Social Studies of Science zum Thema Postcolonioal Technoscience führt der Autor aus, was unter einem Ansatz postkolonialer Kritik von Naturwissenschaft und Technik verstanden werden könnte.
Bachelard, Gaston (info - http://en.wikipedia.org/wiki/Gaston_Bachelard - & Video Interview - http://www.ha.ina.fr/art-et-culture/litterature/video/CAF89004641/portrait-d-un-philosophe.fr.html -) - Die Philosophie des Nein - Wiesbaden 1978
Gaston Bachelard war einer der wichtigsten französischen Philosophen der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts auf den sich unter anderem die postrukturalistische Philosophie bezieht. Wesentliche Teile seines Werkes beziehen sich auf die Kritik der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Er fordert eine Psychoanalyse naturwissenschaftlicher Begriffe, und versteht darunter, die Bewußtmachung der Begriffsgeschichte, die in Begriffen, wie z.B. dem Massebegriff, sich angelagert hat und als Bedeutungshof mitgeschleppt wird, um so zu einer kritisch rationalen bzw. surrationalen Naturwissenschaft zu kommen.
& Bachelards Texte in Französisch - http://classiques.uqac.ca/classiques/Bachelard_gaston/bachelard.html -
Baudrillard, Jean (info - http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Baudrillard - / Video - http://www.dailymotion.com/video/xj3rh_jean-baudrillard -) - Der symbolische Tausch und der Tod - München 1982 (1976)
Eine frühe und erstaunlich zutreffende Analyse für die Veränderungen der symbolischen Ordnung im Umbruch zum postmodernen Kapitalismus und seine Bedeutung für die Selbstkonstruktion der bürgerlichen Subjekte, und immer noch eine der radikalsten und brilliantesten Kritiken dieser Entwicklungen unter herrschaftskritischen Gesichtspunkten. Baudrillard hat es hier in den 70er Jahren geschafft detailliert vieles an gesellschaftlichen Entwicklungen vorauszusagen, was sich erst in den 90er Jahren voll realisiert hat.
Aktuelle Texte von Jean Baudrillard sind zu finden unter: - Text - http://www.egs.edu/faculty/baudrillard-articles.html -.
Bolt, Barbara (home - http://www.barbbolt.com/index.html -) - Shedding Light For The Matter - in: Hypatia - Vol. 15 No. 2 - 2000
Ausgehend von der Erfahrung, dass extreme Lichtverhältnisse, wie z.B. in Westaustralien, dazu führen können, dass durch Licht nicht mehr sondern weniger sichtbar wird, diskutiert die Autorin eine Kritik und Alternative zur westlichen erkenntnistheoretischen Praxis des Enligthenment. Sie spricht dafür die erkenntnistheoretische Praxis eher als eine Beleuchtungspraxis anstatt einer Erleuchtung zu begreifen. Dieses Verständnis von Licht wird für sie Metapher für eine Wissenschaftspraxis als performative Praxis der Bezeichnung.
Djuren, Jörg - Wie kann eine Alternative Naturwissenschaft gedacht werden. WAS TUN? - Internetpublikation - (Text - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/naturwissenschaft.htm -)
Thesen für eine Alternative Naturwissenschaft
Frietsch, Ute (home - http://www2.hu-berlin.de/gkgeschlecht/kolleg/ufrietsch.php -) - Die Abwesenheit des Weiblichen: Epistemologie und Geschlecht von Michel Foucault zu Evelyn Fox Keller - Frankfurt a.M. 2002
Ute Frietsch hat in ihrer Dissertation die epistemologischen Texte Michel Foucaults auf ihre Aktualität für den feministischen Diskurs hin untersucht. Sie stellt dabei einen Bezug zu den Arbeiten der feministischen Naturwissenschaftskritikerin Evelyn Fox Keller her.
Günther, Gotthard (info - http://de.wikipedia.org/wiki/Gotthard_G%C3%BCnther -) - Idee und Grundriss einer nicht-Aristotelischen Logik - Hamburg 1959
Gotthard Günther konzipiert in seinem zentralem philosophischen Werk unter anderen das Konzept einer real mehrwertigen Logik. Er geht dabei aus von der Kritik scheinbar mehrwertiger Logiken, z.B. der heute unter dem Begriff Fuzzy-Logik bekannten Konzepte, für die er nachweist, dass sie nicht anderes als zweiwertige Logiken sind. Dies ist ein mehrbändiges Werk, bei dem die einzelnen Bände ca. 500 Seiten umfassen. Texte von und über Gotthard Günther findet Ihr unter: - http://www.vordenker.de/ggphilosophy/ggphilo.htm -.
Irigaray, Luce (info - http://www.cddc.vt.edu/feminism/irigaray.html - & info - http://mythosandlogos.com/Irigaray.html -) - Die Mechanik des Flüssigen - in: Luce Irigaray - Das Geschlecht das nicht eins ist - Berlin 1979
Die radikalfeministische Theoretikerin und Psychoanalytikerin Luce Irigaray verweist hier auf die impliziten unbewußten Bedeutungen einer 'Mechanik des nur Festen', wie sie in den Naturwissenschaften üblich ist. In einer Physikvorlesung, die ich besucht habe, bemerkte einmal ein Professor recht treffend, dass die Physik trockenes Wasser beschreiben würde (aufgrund der vielen vereinfachenden Annahmen, die jeder Rechnung zu Grunde liegen und die die Mathematisierung überhaupt erst ermöglichen). Der Text ist brillant und literarisch formuliert, der Stil Irigarays setzt eine Bereitschaft voraus sich auf ihn einzulassen. Irigaray ist für mich in ihren frühen Texte (z.B. Speculum / Das Geschlecht das nicht eins ist) die brillianteste, theoretisch radikalste und fundierteste Kritikerin der androzetrischen Logik.
Kant, Immanuel - Kritik der reinen Vernunf - Erstherausgabe: Riga 1781
Die 'Kritik der reinen Vernunft' ist nach wie vor eins der wichtigsten Werke für eine kritische Erkenntnistheorie.
Kristeva, Julia (home - http://www.sigu7.jussieu.fr/rbarthes/membres/kristeva.htm - & info - http://www.msu.edu/user/chrenkal/980/JKRIST.HTM -) - Semiologie - kritische Wissenschaft und/oder Wissenschaftskritik - in: H.G. Peter V. Zima - Textsemiotik als Ideologiekritik - Frankfurt a.M. 1977
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Kristeva, Julia (home - http://www.sigu7.jussieu.fr/rbarthes/membres/kristeva.htm - & info - http://www.msu.edu/user/chrenkal/980/JKRIST.HTM -) - Semiologie als Ideologiewissenschaft - in: H.G. Peter V. Zima - Textsemiotik als Ideologiekritik - Frankfurt a.M. 1977
Die zu diesem Zeitpunkt linke radikale feministische Theoretikerin und Philosophin Julia Kristeva formuliert in diesen beiden Texten die Grundlagen für eine alternative wissenschaftliche erkenntnistheoretische Praxis, die in der Lage ist die identitätslogischen Strukturen zu unterlaufen und als auch politisch revolutionäre Praxis wirksam zu werden. Bzgl. der Anwendbarkeit dieser Textpraxis auf die Naturwissenschaften ist sie zwar ambivalent und bzgl. ihrer Ansichten über den erkenntnistheoretischen Stand der modernen Physik naiv (Sie begreift nicht, dass nach wie vor in dieser Naturwissenschaft stringent positivistisch gearbeitet wird), in den gesamten frühen Texten (aus den Bücher "Le Text du Roman" und "Semiotik") bis zum Buch "Revolution der poetischen Sprache" weist sie aber nichts desto trotz mehrfach auf die Möglichkeit und Notwendigkeit hin, diese kritische Praxis auch auf die Mathematik, als Textpraxis der Naturwissenschaften, auszuweiten.
Für mich ist dies der einzig mir bekannte umfassend formulierte Entwurf einer radikalen linken epistemologischen Alternative zur bestehenden Wissenschaftspraxis.
Kristeva, Julia (home - http://www.sigu7.jussieu.fr/rbarthes/membres/kristeva.htm - & info - http://www.msu.edu/user/chrenkal/980/JKRIST.HTM -) - Bachtin, Das Wort, Der Dialog Und Der Roman - in: H.G. Jens Ihwe - Literaturwissenschaft und Linguistik - Band 3 - Frankfurt a.M. 1972
In diesem Text wird die Herkunft des erkenntnistheoretischen Ansatzes Julia Kristevas aus dem Werk des russischen Linguisten Michail Bachtin deutlich. Bachtin bezieht sich selbst auf die karnevaleske Logik Francois Rabelais.
Kurz, Robert (info - http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Kurz -) - Die Reduktion des Menschen - in: Folha de S.Paulo (Original portugiesisch: O homem reduzido) - Brasilien, Sao Paulo 3.10.1999 - Internetpublikation 2001 - (Text - http://ak-anna.org/reduktionismus_naturwissenschaft.pdf -)
Eine Kritik des naturwissenschaftlich-ökonomischen Reduktionismus. Kurz kommt interessanterweise von der Seite der Kapitalismuskritik zu sehr ähnlichen Schlussfolgerungen wie Teile der feministischen Naturwissenschaftskritik.
Viele weitere Texte von Robert Kurz zur allgemeinen Kapitalismuskritik findet Ihr auf der Seite der Zeitschrift Exit - http://www.exit-online.org/text.php?tabelle=aktuelles -.
Latour, Bruno (info - http://www.bruno-latour.fr/biographie.html -) - Where are the Missing Masses? Sociology of a Door - ursprünglich publiziert in: Social Problems (special issue on sociology of science, edited by Susan Leigh Star) - Vol. 35, Seite 298-310 - Milwauky 1998 - unter dem Titel "Mixing Humans with Non-Humans: Sociology of a Door-Closer" - Internetpublikation (1992) - (Text - http://www.bruno-latour.fr/articles/article/050.html -)
Überliest mensch die schalen Altmännerwitze ergibt sich aus dem Text eine interessante neue Perspektive auf Technologie. Bruno Latour, der als einer der wichtigsten Wissenschaftstheoretiker der 2ten Hälfte des 20ten Jahrhunderts gilt, stellt hier am Beispiel der Funktionsbeschreibung einer Tür und eines automatischen Schliessmechanismußes eine theoretischen Ansatz dar, technologische Artefakte als soziale Aktanden, also in einer Art Subjektposition, zu denken. Der Türöffner wird so zu einem politisch und sozial handelnden Ding. Interessant ist dabei auch die Darstellung der Bedeutung alltäglicher Technologien für die Strukturierung unseres Alltages. Kritisch gelesen ergeben sich damit neue Möglichkeiten die politische und soziale Bedeutung von Technologie zu begreifen.
Als Problem wird aber in diesem Text Latours auch deutlich, dass Herrschaftsverhältnisse durch den Blick auf den einzelnen Türöffner weitestgehend ausgeblendet bleiben und so gerade ein solcher detailverliebter Blick auch zur Entpolitisierung instrumentalisiert werden kann. Eine herrschaftsaffirmative ideologische Praxis, die in der Ästhetisierung von technologischen Dingen unter Rekurs auf Latour - z.B. im Umfeld der Ars Electronica - auch benutzt wird.
Die Sichtweise auf die Dinge, die diese als (politische) Aktanden begreift, läßt zwar ihre Bedeutung für die Strukturierung des Alltags und damit ihre politische Bedeutung in den Blick treten, gleichzeitig wendet aber dieser Blick den Begriff der Intentionalität strukturkonservativ. Die Sichtweise auf die Dinge als intentional 'Handelnde' läßt die Intentionen derjenigen, die diese Dinge produzieren lassen, im Objekt, modern formuliert in der Sachzwanglogik, verschwinden. Denn die, die die Dinge produzieren lassen, materialisieren in ihnen ihre Intention und bringen diese zur Wirkung bringen. Und dies heißt meist die Materialisierung der Reproduktion der bestehenden Herrschaftsverhältnisse durch die Dinge. Z.B. sind die Produktionsabläufe in einer Fabrik nicht anders und selbstbestimmter zu strukturieren ohne einen grundsätzlichen Umbau der materiellen Maschinen, denn die Maschinen determinieren heute wesentlich den Produktionsablauf.
Die Sichtweise Latours liegt damit in höchst fragwürdiger Nähe zu modernen Taktiken der Verschleierung intentionaler Herrschaft und von Herrschaftsverhältnissen hinter einer technischen Rationalität, die bei Latour nun nur selbst in den Subjektstatus erhoben wird. Diese Betonung der Eigenständigkeit der Dinge macht zwar deutlich, dass Herrschaft nie perfekt ist und auch in ihrer Materialisierung im technischen Artefakt Widersprüche produziert, die Ausblendung von Herrschaft, der im Artefakt materialisierten Herrschaftsverhältnisse, ist dafür aber ein zu hoher Preis.
Weitere texte von Bruno Latour sind zu finden unter: - http://www.bruno-latour.fr/articles/index.html -.
Star, Susan Leigh (home - http://www.ischool.pitt.edu/people/star.php -) - Power, technologies and the phenomenology of conventions: on being allergic to onions - in: John Law [Hg.] - A Sociology of Monsters - London 1991
Am Beispiel ihrer eigenen Allergie gegen Zwiebeln führt Susan Leigh Star die Ein- und Ausschlüsse und die Identitätsproduktion durch Klassifikationen und die industrielle Alltagswelt aus (Z.B. dass Problem bei McDonalds eine zwiebelfreien Hamburger zu bekommen). Der Text bezieht sich auf Haraway und wurde von dieser auch wieder im Text 'Anspruchsloser Zeuge @ Zweites Jahrtausend. FrauMann� trifft OncoMouseTM' aufgegriffen.
Ein Problem dieses Textes ist, dass er setzt, das es wünschenswert wäre von Normen eingeschlossen zu werden, also z.B. als Vegetarier bei McDonalds vegetarische Speisen angeboten zu bekommen. Ich würde dem entgegensetzen, dass jeder solche Einschluss in Normen immer auch eine Gewalt gegen die so Eingeschlossenen bedeutet, also z.B. einen Einfluss McDonalds darauf, was als 'vegetarisch' definiert wird.
Ausschlüsse können gerade Freiheit bedeuten.
Star, Susan Leigh (home - http://www.ischool.pitt.edu/people/star.php -) - Scientific Work and Uncertainity - in: Social Studies of science - Vol. 15 - London 1985
Im Text wird ausgeführt mit welchen materiellen und diskursiven Technologien in der wissenschaftlichen Praxis Eindeutigkeit produziert wird, eine Eindeutigkeit der Aussage, die sich im Regelfall nicht aus der Untersuchung direkt ergibt.
Und noch ein kurzer Science-Fiction-Text - Erkenntnistheorie & Alternativen
Anfang
Letzte Aktualisierung 30.05.2010
Erkenntnistheorie & Alternativen
10.11.2277 - Basisseminar in Selbstverwaltung - Kurzreferat:
Zum historischen Wissen über den Umgang mit Erkenntnistheorie & Alternativen im 21ten Jahrhundert.
Vorarbeit zu einer Forschungsarbeit zur Bedeutung anarchistischer Theorieentwicklung für den epistemologischen Bruch von der alternativlosen dogmatischen singulären erkenntnistheoretischen Praxis des 21ten Jahrhunderts zur kritischen Rationalität des 23ten Jahrhunderts.
Liest fan Texte aus dem 21tes Jahrhundert erstaunt immer wieder, wie einfach in dieser Zeit noch die Einstellung zur Frage Erkenntnistheorie & Alternativen war. So reflektierten die meisten weder die Grundlagen ihrer erkenntnistheoretischen Praxen, noch durchdachten sie Alternativen. Trotzdem sie sich auf diese Weise unreflektiert auf eine erkenntnistheoretische Praxis bezogen, ohne Alternativen auch nur zu bedenken, glaubten die Menschen damals, sie würden rational argumentieren.
Aus Sicht des 23ten Jahrhunderts ein kaum noch verständliches Denken, lernen doch heute bereits Kinder ab 4 alternative Erkenntnistheorien spielerisch und alltäglich kennen.
Wieso eine Gesellschaft, die gerade die Ignoranz und Antirationalität der kirchlichen Dogmen kritisiert und überwunden hatte, selbst durch diese dogmatische Fixierung auf eine Erkenntnistheorie ohne Alternativen in den alten Zustand zurückfiel, wurde bereits ausführlich an anderer Stelle diskutiert.
Ich verweise hier nur auf die Arbeiten der Gruppe bini.
bini sieht hier unterschiedliche Aspekte zusammenwirken bei der Ignoranz gegenüber einem kritischen Umgang mit Alternativen zur damals vorherrschenden Erkenntnistheorie;
- Das bürgerliche Subjekt definierte sich im Gegensatz zum anarchistischen Subjekt nicht bezogen auf die konkrete Handlungspraxis, sondern auf eine abstrakte Gesellschaftsstellung. Die Infragestellung gesellschaftlicher Bedeutungszuweisungen, z.B. die Infragestellung akademischer Titel, war damit eine Bedrohung des Subjektes selbst. Da eine kritische Erkenntnistheorie aber gar nicht möglich ist, ohne substantielle Infragestellungen auch der gesellschaftlichen Setzungen und das Denken in Alternativen immer beinhaltet, wurde vom bürgerlichen Subjekt kritische Rationalität als substantielle Bedrohung wahrgenommen.
- Ein weiterer Grund für die Schwierigkeiten im Umgang mit kritischer Erkenntnistheorie und erkenntnistheoretischen Alternativen war die abstruse Konzeption vereindeutigter Geschlechtscharaktere, die im Leben der Menschen damals eine große Rolle spielten. Insbesondere die sogenannten 'Männer' definierten sich über extrem starre Rollenmuster, die tief in das Unbewußte eingeschrieben waren. Für diese 'Männer'-Menschen war jede Form kritischer Rationalität zutiefst bedrohlich und damit auch jede Form kritischer Erkenntnistheorie und das Durchdenken von Alternativen, hätte dies doch immer auch eine Auflösung der starren geschlechtlichen Selbstzuschreibung bedeutet.
Aus der heutigen Sicht des 23ten Jahrhunderts ist sicher nicht verständlich, wieso die Auflösung dieser starren geschlechtlichen Zuschreibung als Gefahr und nicht als Glück gesehen wurde, zu sehen ist die Verknüpfung von Sexualität, Macht und Gewalt, die in der damaligen Gesellschaft üblich war.
- bini weist in einem anderen Punkt noch mal auf diese Problematik hin, der eine sehr herausgehobene Rolle bei der Ablehnung einer kritischen Erkenntnistheorie und von Alternativen zukommt.
So gab es im 21ten Jahrhundert nicht nur das genannte problematischen Selbstverständnis der 'Männer'-Menschen, sondern insgesamt eine aus heutiger Sich kaum zu begreifende binäre Spaltung der Bevölkerung in zwei Geschlechter. Den 'Männer'-Menschen wurden 'Frauen'-Menschen gegenüber gestellt. Menschen, die von diesen Idealen abwichen, wurden mit vielfältigen medizinischen Praxen (sogenannte Schönheits-OP'S, Behandlung der Körperbehaarung, Zwangsoperation von 'Intersexuellen', usw.) den ideellen Vorgaben angeglichen.
Dieser simplen binären Geschlechterordnung korrespondierte ein Denken in Weiß/Schwarz-, Richtig/Falsch-Logiken auch auf anderen Ebenen. Auch dies ließ es für die meisten Menschen nicht zu, sich kritisch rational mit den Grundlagen ihrer erkenntnistheoretischen Praxis und mit Alternativen auseinanderzusetzen, hätte sie damit doch auch diese binäre Ordnung erschüttert, auf der große Teile ihrer Lebensweise beruhten.
- Natürlich hat auch das im 21ten Jahrhundert noch nicht abgeschaffte kapitalistische System eine Rolle gespielt. Im globalisierten Kapitalismus des 21ten Jahrhunderts war es notwendig Dingen einen abstrakten, kontextunabhängigen und eindeutigen Tauschwert zuzuweisen und alle Lebensbereiche der Tauschwertlogik zu unterwerfen. Dies schloß alternative Sichtweisen aus und damit natürlich auch eine alternative kritische Erkenntnistheorie, die die gesellschaftlichen Bedingungen ihrer erkennenden Praxis hinterfragt.
Mir ist vor kurzem ein ca. 250 Jahre alter Aufsatz Die Reduktion des Menschen von einem Robert Kurz in die Hände gefallen, in dem dieser Autor damals schon wesentliche Teile dieses Problems ausführt. Auch WissenschaftlerInnen des 20ten Jahrhunderts aus der feministischen Theorie, der kritischen Theorie und aus dem Poststrukturalismus war wohl dieses Problem im Umgang mit Erkenntnistheorie und Alternativen bewußt.
- Auch der im 21ten Jahrhundert immer weiter zunehmende Einfluß der Konzerne auf die Universitäten, wie dies genau abgelaufen ist, wurde ja für den deutschen Sprachraum exemplarisch in den Bertelsmann-Prozessen Mitte des 22ten Jahrhunderts ausführlich aufgedeckt, führte nicht nur zum Niedergang der Wissenschaften, sondern vorab bereits zum Ausschluß kritischer Rationalität aus den wissenschaftlichen Institutionen. Technokratische Optimierungsstrategien zerstörten die bis dahin vorhandenen Keime für die Entwicklung einer kritischen Erkenntnistheorie und alternativer erkenntnistheoretischer Ansätze.
Die Installation totalitärer Präsidialdiktaturen und von Hochschulräten, die primär Konzerninteressen verfolgten, an deutschsprachigen Universitäten im Laufe des 21ten Jahrhunderts, führte auch zur direkten Repression gegen kritische WissenschaftlerInnen, die erkenntnistheoretische Fragen nicht unabhängig vom Denken in gesellschaftlichen Alternativen diskutieren wollten.
- Nur in diesem Gesamtkontext ist auch der Fetisch quantitativer Bewertungsschemata zu begreifen. Sicher ist die damalige historische Realität, daß angenommen wurde, wissenschaftliche Fähigkeiten ließen sich mit Multiple-Choice-Tests feststellen, aus heutiger Sich ähnlich schwer nachvollziehbar, wie der Glaube an das Dogma der unbefleckten Empfängnis, für damals lebende Menschen war dies aber real.
Kritischer Erkenntnisfähigkeit lief eine solche Dressur durch ankreuzbare vorgefertigte Antworten diametral entgegen. Insgesamt waren die quantitativen Bewertungsschemata ein erhebliches Hindernis bei der Durchsetzung kritischer Erkenntnistheorie und erkenntnistheoretischer Alternativen. Viele StudentInnen des 21ten Jahrhunderts hatten die Ideologie quantitativer Bewertungsschemata internalisiert und waren lange Zeit nicht bereit diesen Glauben auch nur in Frage zu stellen.
- bini führt weiter aus, daß auch die Studiengebühren und die viel zu kurze Studiendauer dazu beitrugen, daß StudentInnen gar keine Zeit hatten sich mit Alternativen zur hegemonialen Erkenntnistheorie, bzw. sich überhaupt mit Erkenntnistheorie, zu befassen.
bini sieht hier drin sogar einen Grund für die Einführung der Studiengebühren, die primär als Disziplinarinstrument eingeführt wurden, um StudentInnen das kritische Denken abzugewöhnen, in dem sie einfach keine Zeit für die Auseinandersetzung mit Alternativen zum zunehmend gleichgeschaltetem Lehrstoff ließen.
- Für die Medien des 21ten Jahrhunderts läßt sich m.E. ähnliches wie für die wissenschaftlichen Institutionen festhalten, eine Reflektion auf die eigene erkenntnistheoretischen Grundlagen und ihre gesellschaftliche Bedingtheit oder gar das Durchdenken von Alternativen fand nicht statt. Auch hier wurde durch die Doppelung von Zeitdruck auf die Schreibenden und direktem dirigistischen Durchgriff der höheren Konzernangestellten, sowie vorauseilendem Gehorsam, sicher gestellt, daß kritische Erkenntnistheorie und die Diskussion von Alternativen weder Zeit noch Raum fanden.
- Das Funktionsprinzip der parlamentarischen 'Demokratie', die im 21ten Jahrhundert in der Blüte ihrer Machtentfaltung stand, das darin bestand Partialinteressen als Allgemeine zu verkaufen, in dem höhere Notwendigkeiten konstruiert wurden, war ebenfalls davon abhängig, das eine kritische Hinterfragung der erkenntnistheoretischen Grundlagen und der ausgeschlossenen Alternativen nicht statt fand.
- Zusätzlich muß gesehen werden, daß im 21ten Jahrhundert auch noch eine Praxis existierte, die sich 'Copyright' nannte, damit wurden Besitztitel für Gedanken (in Form von Texten / Filmen / Kunstwerken) vergeben. So seltsam uns diese Praxis heute erscheinen mag, an Gesichts des Wissens um die komplexen Zusammenhänge intersubjektiven Agierens für jede Form von Kreativität, so führte diese Praxis dazu, daß wiederum vor allem Konzerne erhebliche Teile des kulturellen Gedankengutes privatisieren konnten. Damit waren sie aber großen Teilen der Bevölkerung nur sehr eingeschränkt zugänglich.
Auch dies machte es Vielen schwer, sich kritisch mit der immer wieder vorgekauten hegemonialen Erkenntnistheorie auseinanderzusetzen, waren die Werke der Kritik und der Alternativen doch zum Teil nur Universitätsangehörigen zugänglich oder mußten teuer bezahlt werden.
- Auch die frühkindliche Sozialisation vor allem durch den Automobilverkehr des 21ten Jahrhunderts, die schon Kleinkinder auf das sture Befolgen von Regeln hin dressierte unter Androhung körperlicher Verstümmelung und Tod, bei Nichtbefolgen der (Verkehrs)Regeln, führt bini als Problem an, das zur Unfähigkeit kritischen Denkens vermutlich schon in diesem Entwicklungsstadium beigetragen hat.
bini vermutet, daß dies bei vielen auch im Erwachsenenalter zur Angstabwehr gegenüber der Aufforderung Alternativen auszuprobieren geführt hat, und damit auch seinen Niederschlag in der Unfähigkeit zur Hinterfragung der vorgegebenen erkenntnistheoretischen Modelle fand.
Nach bini muß all dies zusammen gedacht werden um die weit verbreitete Unwilligkeit, Alternativen zur hegemonialen Erkenntnistheorie in die wissenschaftliche Theorie und Praxis mit einzubeziehen, zu begreifen. Erst im Zuge der anarchistischen Revolutionen im 22ten Jahrhundert setzte sich die kritische Rationalität mit ihrem metatheoretischen Denken über erkenntnistheoretische Ansätze und Alternativen durch.
Gefunden in der Schublade enes alten Schranks;
J.Djuren, Hannover 2006/08