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Biomacht und Biopolitik bei Michel Foucault
Der Begriff der Biomacht wird von Michel Foucault im ersten Band von Sexualität und Wahrheit definiert. Macht, und das gilt auch für Biomacht, wird durch Michel Foucault vor allem unter ihren produktiven Aspekten betrachtet. Michel Foucault geht es also nicht um repressive genetische Horrorszenarien sondern um die Frage, wie das moderne menschliche Subjekt durch die Machtwirkungen auf Körper und Leben produziert wird. Michel Foucault analysiert dabei die Sexualpolitik, als Zentrum der Biopolitik. In ihr kreuzen sich die Diskurse über den Körper und seine Disziplinierung mit den Diskursen und Politiken über die Bevölkerung und ihre Kontrolle. Biomacht ist also nach Michel Foucault wirksam in den alltäglichen Reden über Sexualität, in den Bildern und Idealen, z.B. eines sexuell attraktiven disziplinierten Körpers. Biopolitik ist also zum Beispiel die Steuerung unseren eigenen Zugriffs auf unseren Körper, die Anreizung der Selbstdisziplin. Ein aktuelles Beispiel solcher Biopolitik läßt sich in den nun auch in der Bundesrepublik Deutschland sich immer weiter verbreitenden Enthaarungsritualen analysieren (siehe dazu; Körperbehaarung und Geschlecht - http://www.irrliche.org/politische_kritik/achselhaare_rasur.htm.
Dies ist nicht trivial, hier wirkt Biomacht, hier werden Subjekte produziert. Da die Körperbehaarung eng mit Sexualität konotiert wird, geht es bei der Enthaarung insbesondere bei Frauen um Entsexualisierung, also die Disziplinierung der weiblichen Sexualität - Produktivität. Die Biopolitik der Enthaarungpraxis ist also gerichtet auf die Disziplin weiblicher Sexualität, sie hat damit, gedacht mit Michel Foucault, eine ähnliche Funktion, wie der Schleier in der arabischen Welt.
An diesem einfachen Beispiel läßt sich das Konzept Biomacht / Biopolitik von Michel Foucault in seiner analytischen Wirkamkeit darstellen. Reden wir von Biomacht / Biopolitik nach Michel Foucault müssen wir uns den alltäglichen Praxen und Diskursen über Sexualität, Körper, Leben zuwenden und ihren Machtwirkungen und ihrer Bedeutung für die Konstitution von Subjektivität. Das Konzept Biomacht / Biopolitik ist dann mit Michel Foucault nicht nur bezogen auf Fragen der Geschlechtsidentität, sodern auch auf Fragen der Identität des bügerlichen Subjekts und rassistischer Identitäten. Es ist analytisch sehr viel weiterführender als viele andere Erklärungsansätze.
Michel Foucault begreift Biomacht, Biopolitik außerdem als in die Wirkungszusammenhänge hinein diffundierte Machtprozesse. Das heißt Biomacht wird nicht zentral von Oben ausgeübt sondern konstituiert sich in der Wechselwirkung der unterschiedlichen Strukturen mit den Subjekten. Auch dies ist am trivialen Beispiel der Körperenthaarungspraxen gut zu sehen, die Politiken der Gewalt gegen Menschen, Frauen, die die Normerfüllung der Haarlosigkeit verweigern, geht nicht vom Obrigkeitsstaat aus, sondern von ihren Bezugsgruppen in Schule, Universität, Sexualbeziehung und am Arbeitsplatz.
Mit Foucault gilt für die Moderne das Konzept der Biomacht, die die Verwaltung des Lebens übernimmt. Als Disziplinarmacht gegenüber dem Körper übernimmt sie "seine Dressur, die Steigerung seiner Fähigkeiten, die Ausnutzung seiner Kräfte, das parallele Anwachsen seiner Nützlichkeit und seiner Gelehrigkeit, seine Integration in wirksame und nützliche Kontrollsysteme" und als "Biopolitik der Bevölkerung", als Normierungsmacht, reguliert sie "die Fortpflanzung, die Geburten- und Sterblichkeitsrate, das Gesundheitsniveau". Die Lebensdauer, die Langlebigkeit mit all ihren Variationsbedingungen wird zum Gegenstand eingreifender Maßnahmen.
(Alle Zitate Seite 166 - Michel Foucault - Der Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit, Band 1) - Frankfurt am Main 1977)
"Diese Bio-Macht war (..) ein unerläßliches Element bei der Entwicklung des Kapitalismus, der ohne kontrollierte Einschaltung der Körper in die Produktionsapparate und ohne Anpassung der Bevölkerungsphänomene an die ökonomischen Prozesse nicht möglich gewesen wäre. Aber er hat noch mehr verlangt: das Wachsen der Körper und der Bevölkerungen, ihre Stärkung wie auch ihre Nutzbarkeit und Gelehrigkeit; er brauchte Machtmethoden, die geeignet waren, die Kräfte, die Fähigkeiten, das Leben im ganzen zu steigern, ohne deren Unterwerfung zu erschweren."
(Seite 168 - Michel Foucault - Der Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit, Band 1) - Frankfurt am Main 1977)
Es geht nicht mehr darum, auf dem Feld der Souveränität den Tod auszuspielen, sondern das Lebende in einem Bereich von Wert und Nutzen zu organisieren.
"Der Sex eröffnet den Zugang sowohl zum Leben des Körpers wie zum Leben der Gattung. Er dient als Matrix der Disziplinen und als Prinzip der Regulierungen."
(Seite 174 - Michel Foucault - Der Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit, Band 1) - Frankfurt am Main 1977)
(..) "Die Mechanismen der Macht zielen auf den Körper, auf das Leben und seine Expansion, auf die Erhaltung, Ertüchtigung, Ermächtigung oder Nutzbarmachung der ganzen Art ab. Wenn es um Gesundheit, Fortpflanzung, Rasse, Zukunft der Art, Lebenskraft des Gesellschaftskörpers geht, spricht die Macht von der Sexualität und zu der Sexualität, die nicht Mal oder Symbol ist, sondern Gegenstand und Zielscheibe."
(Seite 166 - Michel Foucault - Der Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit, Band 1) - Frankfurt am Main 1977)
Die Verwendung der Begriffe Biomacht und Biopolitik im aktuellen Texten, z.B. im Buch 'Empire' von Michael Hardt, Antonio Negri, wird dieser Fassung der Begriffe Biomacht und Biopolitik durch Michel Foucault in keiner Weise gerecht. Die Begriffe Biomacht und Biopolitik werden nicht im Sinn Michel Foucaults verwendet, sondern in vielen Texten nur wie ein Mantra ohne Inhalt immer wiederholt; "Biomacht, Biopolitik, Foucault, Biomacht, Biopolitik, Foucault, usw.." So werden von Michael Hardt und Antonio Negri in ihrem Buch 'Empire' die Begriffe Biomacht und Biopolitik und der Rekurs auf Michel Foucault als reine Leerfloskeln verwendet. Weder die produktiven Aspekte von Macht für das Subjekt, noch die Diffusion von Macht, noch der Zusammenhang mit Sexualität und Alltag werden wirklich berücksichtigt.
Die erfundene Anzeige zur Tour de Genom ist als kleiner Hinweis auf die Alltäglichkeit der Biopolitik heute gedacht.
Dju
Diese Seite wurde ursprünglich als satirische Hinweisseite auf die Netzpräsens der Gruppe 'HalluziNoGene' konzipiert. Inzwischen dient sie als Hinweisseite auf die Netzpräsens des Arbeitskreises 'Alternative Naturwissenschaften Naturwissenschaftliche Alternativen'.
Zu diesem Thema und zu vielem mehr findet Ihr viele interessante Texte auf der Netzseite:
http://www.ak-anna.org
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